Man hört sie immer wieder bis zum Überdruß. Sie hat 1989 selbst den aufrichtigsten Freunden der Freiheit den Mut genommen, über den Untergang des Sowjetimperiums inberechtigtes Triumphgeheul einzustimmen. Gemeint ist die Behauptung, daß der Kommunismus trotz aller Greuel, die er angerichtet hat, im Kern doch eine gute „humanistische“ Idee gewesen sei. Nicht einmal die Horrorbilanzen der millionenfachem Morde Stalins, Maos, Pol Pots oder Mengistus haben das strahlende Bild der kommunistischen Grundidee wirklich zu beschädigen vermocht. Marx ist als „Denker“ immer noch salonfähig. Selbst bürgerliche Kommentatoren scheinen diese „Weisheit“ so sehr verinnerlicht zu haben, dass sie sie kaum je anzweifeln. Der kommunistische Massenmord ist immer noch der bessere Massenmord. Er würde, so entblöden sich manche, wenigstens theoretisch (aber nur SEHR theoretisch, wie die Sowjetwirtschaft zeigte) den Armen der Gesellschaft dienen. Nun dient jeder Massenmord irgendeinem Ziel, das für irgend jemand
vorteilhaft ist. Sonst würde er wohl nicht stattfinden. Diese Argumentation für den „Klassenkampf“ steht nicht im geringsten moralisch über der Argumentation des „Rassenkampfs“ der Nationalsozialisten. Die „Arier“, die im Falle eines Hitlerschen Sieges sich in den weiten Russlands von ihren verknechteten „slawischen Untermenschen“ bequem bedienen hätten lassen, hätten diesen Zustand auch als Beförderung ihrer Wohlfahrt empfunden. Ein Recht auf Massenmord an denen abzuleiten, die dem eigenen Vorteil im Wege stehen, kann wohl nur als zynisch bezeichnet werden.
Dies führt die Diskussion zu ihren moralischen Fundamenten. Es hilft dabei nicht nur die Einsicht, daß selbst eine gute Theorie überdacht werden sollte, wenn sie anscheinend nur schlechte Konsequenzen hervorbringt. Wichtiger ist die Einsicht: Die Theorie selbst ist das Übel!
Kern aller kommunistischen Theorien ist die Vernichtung des Privateigentums zugunsten des Gemeineigentums. Es scheint nach einem Jahrhundert kollektivistischer Indoktrination, die heute meist schon in der (bezeichnenderweise auch als „Gemeineigentum“ organisierten) Schule beginnt, von der Mehrheit der Menschen vergessen worden zu sein, daß das Recht auf Privateigentum nicht nur der Motor wirtschaftlichen Erfolges ist. Es ist schon schlimm genug, daß diesem Recht schon deshalb der zweifelhafte Ruf anhaftet, Grundlage eines schnöden Materialismus zu sein.
Eigentum war in der aufklärerischen Ethik seit John Locke aber immer auch ein ethischer Begriff. Es fängt mit dem unerschütterlichen Axiom an, dass jeder Mensch sich selbst (im ganz physischen Sinne) gehört. Dies ist das elementarste Grundrecht überhaupt. Dieses Recht eines jeden Menschen findet seine natürliche Grenze an dem gleichen Recht anderer Menschen. Daraus leitet sich ein „Nicht-Aggressionsgebot“ ab. Was ein Mensch gewaltlos
erwirbt, gehört ihm. Ohne dieses Gebot würde der Mensch zugleich auch aufhören, sich selbst zu gehören. Er wäre (zumindest teilweise) versklavt. Seine physische Integrität wäre verletzt. Wer gegen diese in sich widerspruchsfreien Grundsätze handelt, beansprucht für sich stets ein „höheres“ Recht, das über dem der Mitmenschen steht. Wie immer man es dreht oder wendet, er beansprucht auch, sich mit Zwang eine „Rente“ auf Kosten anderer zu beschaffen. Nicht, wo das Recht auf Eigentum besteht, herrscht Ausbeutung. Nur, wo das Recht auf Eigentum abgeschafft ist, herrscht Ausbeutung.
Der Kommunismus ist also keine prinzipiell gute Idee, die durch einige nebensächliche Fehlschlüsse in der Praxis pervertiert wurde. Sie legt nicht nur die Axt an einigen Ästen des Baumes an, ohne die Wurzel zu zerstören. Sie zerstört das Gute gerade an seiner Wurzel. Diese Wurzel ist das Recht des einzelnen auf sein Eigentum. Wer das Privateigentum vernichtet, vernichtet auch das Individuum. Die Idee des Kommunismus in allen seinen Spielarten mag sich mit allerlei Floskeln schmücken, die an das Herz appellieren. Vorwände dazu findet man in unserer armseligen und unvollkommenen Welt immer. Es ist immer attraktiv, den eigenen oder kollektiven Vorteil mit Gewaltmitteln zu suchen, und diese dann zu verherrlichen. Die Behauptung, der Kommunismus sei im Kern gut, stellt eine solche Verherrlichung dar. Schon die Grundidee dieses Kommunismus ist das Böse schlechthin ist. Sie konnte nur Böses schaffen.