Wieder wird der bekannte Gratis-Lunch aufgewärmt, den es in der Ökonomie nicht geben kann – mit dem «bedingungslosen Grundeinkommen». Alle sollen zwischen 1500 und 2500 Fr. monatlich bekommen, eine «AHV-Rente ab Geburt», schwärmen die Verfechter. Und trotzdem werde die Volkswirtschaft blühen, würden sich alle voll einsetzen bei der Arbeit, in der Kultur und bei der Hilfsbereitschaft.
Am Kongress zum Grundeinkommen vor einer Woche blühten vor allem diese Erwartungen – und die falschen Zahlen. Denn es wird so grosszügig gerechnet wie verteilt. Die jährlichen Sozialausgaben der Schweiz – oder Deutschlands – werden auf den Kopf umgerechnet, was in der Schweiz 18’763 Fr. ergeben soll. Doch in diesen Gesamtausgaben werden die laufende Ersparnis der zweiten Säule und deren Renten gleich mitgerechnet und mitverteilt. Ohne diese private Spartätigkeit und ihre Früchte machen die Sozialausgaben gerade einmal gut 10’000 Fr. pro Kopf aus.
Der Hamburger Professor Thomas Straubhaar zeigte sich sehr offen für das Grundeinkommen, denn er bekomme so zusätzlich zum Gehalt etwas mehr, zahle auch mehr Steuern, habe aber nachher gleich viel. Doch würde ihm dann auch seine schöne Rente gestrichen, woran er kaum gedacht haben dürfte.
Ohne Pensionskassen reicht es also nur zu gut 800 Fr. monatlich an bedingungslos verteiltem Grundeinkommen. Die sozial Bewegten hinter der Idee scheinen nicht zu wissen, dass die häufigste Ehepaarrente der AHV bei deutlich über 3000 Fr. liegt, Suva-Renten 7000 Fr. und mehr ausmachen können, dass zu betreuende Invalide mit Ergänzungsleistungen Tausende Franken erhalten und arbeitslose Männer im Schnitt 3255 Fr. beziehen.
Die gezielt ausgerichteten sozialen Leistungen bringen eben jenen, die sie brauchen, viel mehr als die Giesskanne. Alle diese Sozialversicherungen würden aber in den grossen Topf geworfen, «um die Bürokratie» abzuschaffen. Dieses Argument bemüht der zweite Ökonom, Klaus Wellershoff, der sich positiv äusserte.
Doch echte Sozialsicherung macht mehr, als Geld zu verteilen, sie berät und gliedert ein. Das kann man nicht kostenfrei abschaffen. Es ist Lebenshilfe, nicht Geldverteilen. Und dass die Garantie des Nicht-Arbeitens als «urliberal» gilt, ist eine Begriffsverwirrung. Liberale wollen die Selbstverantwortung, nicht den Staatstopf.
Trotz den nur 800 verfügbaren Monatsfranken aus heutigen Ersatzeinkommen halten die Befürworter weiterhin an 1500 bis 2500 Fr. monatlich fest – das heisst, die Steuern müssten massiv ansteigen. Der deutsche Wanderprediger des Grundeinkommens, Götz Werner, sah denn auch Einkommenssteuern von 50% und eine Mehrwertsteuer von 50% zur Finanzierung vor.
Damit kommen wir von den Zahlen zum Qualitativen. Mit der Grundsicherung lassen viele kleine Einkommensbezüger die Arbeit fahren, Immigranten, Berufseinsteiger, Teilzeitbeschäftigte, Alleinerziehende, mitverdienende Frauen. Die Erwerbsbeteiligung würde dramatisch sinken, wie es in den europäischen Wohlfahrtsstaaten begann. Denn das Arbeiten ist für die Mehrheit auch eine Plackerei. Frankreichs 35-Stunden-Woche hat die hochgemute Annahme der gutverdienenden Ökonomen, Künstler und Schwärmer dementiert, dass mit mehr freier Zeit das Pflegen, das freie Schaffen und die Kultur zunähmen. Die Franzosen leisten weniger freiwillige Arbeit als vorher.
Auf jene, die trotz dem Grundeinkommen beruflich arbeiten, schlägt zuerst die 50%-Einkommenssteuer zu, und vom Rest, den man ausgibt, nimmt die Mehrwertsteuer nochmals die Hälfte. Wer arbeitet, dem bleibt ein Viertel des Ertrags. Kurz, das Arbeiten würde dramatisch abnehmen, dieser bedingungslose Wohlfahrtsstaat fiele noch gründlicher in die Schulden und Defizite als Europa heute.
Wenn ein Staat das Grundeinkommen einführte, müsste er überdies seine Grenzen in einem Mass dichtmachen, das jeden Zuzug, Austausch, jede Freizügigkeit abschaffen würde. Kontrollen peinlichster Art wären nötig, vielleicht gar bei wegziehenden Hochqualifizierten und Reichen.
Die Idee des Grundeinkommens führt einen verheerenden Fehlentscheid europäischer Einkommenspolitik weiter. 1972 schleuderten die deutschen Gewerkschaften ihr «Nein zur Vermögenspolitik» in die Runde, 1988 die schweizerischen Gewerkschaften. Die Arbeitenden sollten kein Vermögen aufbauen können, sondern als Unterstützte in jeder Lebenslage vom Staat Geld erhalten. Heute bezieht über die Hälfte aller Haushalte in Westeuropa Teile ihres Einkommens vom Staat. Sklaven statt Besitzer, so hiess die Losung im Klartext. Die Zentralisierung der Gesellschaft ist weit fortgeschritten, das Grundeinkommen würde sie totalitär machen. Die Parteien würden immer das Maximum versprechen, und die Bürger würden glauben, sie könnten ihr Auskommen an der Urne anstatt mit Anstrengung erreichen. Die wenigen Leistungswilligen würden überstimmt.
Zum Glück wird eine geplante Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen einen schweren Stand haben. Wenn hier trotzdem schon gewarnt wird, mit Zahlen und qualitativen Argumenten, mit der Blossstellung der Begriffsverwechslungen, dann nur, um weitere Wohlmeinende aus der Oberschicht, unter den Glitterati und aus verdrossenen Sozialkreisen vor Blamagen zu retten. Es steht wirklich nichts Überlegtes, nichts Ausgerechnetes, nichts Liberales, nichts Soziales dahinter.
Dieser Artikel wurde in der NZZ am Sonntag publiziert. Das Liberale Institut bedankt sich beim Autor für die freundliche Genehmigung zur Weiterveröffentlichung.