Vor wenigen Wochen kündigte die Schweizerische Nationalbank (SNB) an, die aktuelle Franken-Stärke gegenüber Euro und Dollar durch eine massgebliche Ausweitung der Geldmenge bekämpfen zu wollen. Die Märkte zeigten sich hiervon unbeeindruckt, die Massnahme galt schnell als unzureichend. Kritiker empfahlen der SNB, einen fixen bzw. minimalen Euro-Kurs mit allen Mitteln zu verteidigen. Schliesslich gab die SNB dem öffentlichen und politischen Druck nach, und gelobte einen Euro-Kurs von mindestens 1,20 CHF zu garantieren – und die möglichen exorbitanten Folgekosten auf sich zu nehmen. Der Jubel quer durch alle Parteien und die Interessenverbände war gross, doch ist dieser Schritt tatsächlich gut für die Schweiz?
Ein Blick auf die Leitwährungen hilft weiter: nach langem Ringen um ihre Schuldenobergrenze konnte sich die US-Politik zuletzt zwar auf eine Erhöhung der Schulden einigen, die im Gegenzug angestrebten Ausgabenkürzungen bleiben aber ungewiss. Eine neue Kommission soll in den nächsten Monaten Vorschläge erarbeiten. Selbst die so angestrebten Kürzungen stellen jedoch keinen Schuldenabbau dar, das Schuldenwachstum würde bloss leicht abgeschwächt. Die explizite und implizite Verschuldung der USA übersteigt mit 65 Billionen Dollar schon das gesamte Welt-Bruttoinlandsprodukt.
Um den Euro steht es nicht besser. Nach der Überschuldung Griechenlands, Portugals und Irlands wankt nun Italien, das selbst bei einem EU-Rettungsschirm von 1500 Milliarden Euro als «too big to bail» gilt. Der vermeintliche Retter Deutschland schleppt derweil eine reale Schuldenlast von 6000 Milliarden Euro mit sich, von Abbau keine Spur. Darum: die Schwäche von Dollar und Euro sind nicht auf Spekulation, sondern auf handfeste fiskalische und monetäre Probleme zurückzuführen.
Kann es da überraschen, dass weltweit Anleger im relativ stabilen Schweizer Franken einen sicheren Hafen suchen? Mit der Bekämpfung der Franken-Stärke lässt sich die SNB dagegen auf einen «race to the bottom» mit fundamental instabilen Weichwährungen ein. Die innenpolitischen Konsequenzen einer solchen Politik dürfen nicht im lauten Trommeln der Exportindustrie untergehen. Eine bewusste Entwertung des Frankens hat handfeste Folgen für die Bürger.
Die monetäre Entlastung der Exportindustrie geht zu Lasten all jener, die von günstigen Importen profitieren. Hierzu zählen beispielsweise die Konsumenten. Durch ihre Intervention schafft die SNB also willkürlich eine Gewinner- und eine Verliererklasse. Neben allen Importprofiteuren haben bei einer Weichwährungspolitik letztlich auch stets alle Sparer das Nachsehen — die SNB untergräbt deren Vermögen. Woher nur nimmt die SNB das Mandat für eine solche Umverteilung?
Sicher, zahlreiche Schweizer Haushalte sind von der Exportindustrie abhängig. Deren Tauschbedingungen werden mit einem starken Franken unattraktiver. Gerade bei einem hohen Produktionsanteil in der Schweiz können niedrige Importpreise für Produktionsgüter hohe Arbeitskosten nicht kompensieren. Eine angemessene Antwort auf diese Lage wäre eine Reduktion der Lohnstückkosten in den betroffenen Unternehmen, durch Lohnverzicht oder Mehrarbeit. Begleitet von einer Liberalisierung des Aussenhandelns, könnten die Betroffenen solche Ausfälle durch den günstigen Import von Konsumgütern zumindest teilweise kompensieren.
Eine solche Politik ist mit Härten verbunden — diese sind der Preis für eine langfristig wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Aber vor allem: sie ist deutlich ehrlicher als die tückische Entwertung der Löhne und Vermögen aller Arbeitnehmer durch eine Schwächung des Frankens, wie sie vermeintliche Interessenvertreter des «kleinen Mannes» nun fordern.
Ein Ende der Dollar- und Euro-Krisen ist nicht in Sicht. Die Schweiz tut daher gut daran, sich auf einen dauerhaft hohen Frankenkurs einzustellen. Sich auf einen Wettlauf mit den wirtschaftlich Lahmen und Blinden dieser Welt einzulassen, ist dagegen eine denkbar gefährliche Politik. Wieviel Vermögen ist die SNB bereit zu vernichten, um die Anleger von der Erkenntnis abzubringen, dass EU und USA nicht nachhaltig wirtschaften?
Eine Version dieses Artikels wurde im «Schweizer Monat» (Ausgabe 989) publiziert.