Der Wettbewerb ist ein Prozess, bei dem sich Unternehmen und Verbraucher suchen, finden und dann zusammenarbeiten. Unternehmer sind jene rar gesäten Persönlichkeiten, deren herausstechendstes Merkmal ihre Fähigkeit ist, Wohlstand zu schaffen und den Lebensstandard der Mitglieder einer Gesellschaft zu erhöhen. In einem wettbewerbsorientierten Markt besteht die einzige Möglichkeit, reich zu werden, darin, etwas zu tun, was anderen nutzt. Im Gegensatz zu den übrigen Marktteilnehmern sind diese Menschen für den Fortschritt unverzichtbar. Mit anderen Worten: Es wird immer eine grosse Zahl von Verbrauchern und Arbeitnehmern geben und das war auch in der Vergangenheit nicht anders.
Auf der anderen Seite gibt es wenige sehr innovative Menschen – und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern –, die über das Talent, die Energie, die Risikobereitschaft und die Vision verfügen, Wohlstand zu schaffen. Es ist wie beim Sport: Es gab schon immer viele Fussballzuschauer, aber Spieler mit den Fähigkeiten eines Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo waren die absoluten Ausnahmen. Daher ist es dringend notwendig, ein institutionelles Umfeld und ein soziales Klima zu schaffen, in dem diese aussergewöhnlichen Talente belohnt und gewürdigt werden.
Unverdient schlechter Ruf
Ich möchte nicht behaupten, dass es in der Wirtschaft keine Bösewichte oder Menschen gibt, die das System ausnutzen, und sollten sie tatsächlich gegen geltende Gesetze verstossen, sollten sie dafür selbstverständlich belangt werden. Auch im Sport gibt es Spieler, die ihre Siege Doping zu verdanken haben, aber das heisst noch lange nicht, dass alle Spieler zum Doping greifen oder dass das Problem im Sport selbst liegt.
Leider reicht in der emotional aufgeladenen Atmosphäre, wie sie derzeit in der Öffentlichkeit vorherrscht, ein einziger Geschäftsmann aus, der beim Betrügen erwischt wird, um den «Markt» als manipuliert zu empfinden oder sämtliche Geschäftsleute als korrupt zu brandmarken, was wiederum zu mehr Forderungen nach einer stärkeren Kontrolle durch den Staat führt. Und dies, obwohl es keine Institution gibt, die in grösserem Ausmass von Korruption durchdrungen ist und bei der es häufiger zu Missbrauch kam als die des Staats, der nichts anderes ist als eine Gruppe von Personen (Politiker und Bürokraten), die ganz legal in einem bestimmten Staatsgebiet ein Monopol auf die Ausübung von Gewalt hat und die von den Steuereinnahmen lebt.
Jeden Morgen, wenn wir die Augen aufmachen und uns umschauen, merken wir, dass alles in unserem Blickfeld von Unternehmern geschaffen worden ist. Vom Bett, in dem wir die Nacht verbringen, über das Haus, in dem wir wohnen, die Seife, mit der wir uns waschen, das Trinkwasser, das gereinigt und per Rohrleitung zu uns geleitet wird, bis hin zu unserem Frühstück und unserer Kleidung. All dies und noch viel mehr ist das Werk einiger weniger kreativer Köpfe, denen es gelungen ist, alles, was wir brauchen, zu erfinden und in grossem Massstab zu produzieren und es obendrein auch noch erschwinglich zu machen. Wie funktioniert das?
Arbeitsteilung als Heilsmittel
Wenn wir das Wesen des Unternehmertums verstehen wollen, müssen wir uns das Prinzip der Aufgabenteilung vor Augen halten, das typisch für die moderne Wirtschaft ist. Vor der Industriellen Revolution, die einen Grossteil der Menschheit aus Hungersnot und Elend befreit hat, stellten wir alle im Grunde einen grossen Teil dessen, was wir konsumierten, selbst her. Wir nähten unsere Kleidung selbst und erzeugten oder sammelten unsere Nahrung. Allenfalls tauschten wir ein paar Dinge gegen andere aus. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Leben eine reine Subsistenzwirtschaft war, das heisst, die Menschen damals waren ständig vom Tod durch Verhungern bedroht und kannten keinerlei Annehmlichkeiten.
Stellen Sie sich vor, wie unser Leben aussehen würde, wenn wir das meiste von dem, was wir nutzen und verbrauchen, selbst herstellen müssten. Natürlich gäbe es dann keine Technologien, keine Lebensmittel oder Kleidung im Überfluss, keine Gebäude oder alles, was wir heute kennen, denn es wäre für eine einzelne Person, eine Familie oder sogar ein Dorf unmöglich, all das Wissen, die Energie, die Ressourcen und die Zeit aufzubringen, die nötig sind, um diese Dinge zu produzieren – von Mobiltelefonen bis hin zu Satelliten, Medikamenten, Lebensmitteln, Staudämmen zur Energiegewinnung und vielem mehr.
Unsere Aufgabenteilung in schier unglaublichem Masse hingegen ermöglicht es jedem, sich auf das zu konzentrieren, was er am besten kann. Schliesslich werden die produktiven Funktionen dank des Preissystems in Millionen kleiner Teile aufgeteilt, die sich gegenseitig ergänzen. Ein solches System ermöglicht es Ärzten, sich der Heilung von Kranken zu widmen, Bauingenieuren der Planung von Krankenhäusern, Radiologen den Untersuchungen, Technikern der Wartung von Maschinen, Elektrikern der Bereitstellung von Strom und so weiter und all das in einer Kette von Millionen von Arbeitsbereichen, die alle mehr oder weniger miteinander zusammenhängen oder ineinander greifen.
Inzwischen gibt es nahezu in jedem Bereich eine Spezialisierung. So behandelt ein Arzt nicht mehr jede Krankheit, sondern konzentriert sich auf Erkrankungen seines Fachgebiets. Durch diese Aufteilung sind Spitzenleistungen von Medizinern möglich. So kann ein Dermatologe zwar Hautkrankheiten behandeln, aber keine Hirntumore operieren. Vor langer Zeit wurde ein Arzt in seiner Laufbahn mit allen möglichen Krankheiten, Verletzungen und Leiden konfrontiert, über die er nicht alles wissen konnte, weil die Medizin aufgrund der damals schlechten Aufgabenteilung in allen Disziplinen sehr rudimentär war. Dieses Konzept gilt nicht nur für Mediziner, sondern auch für die gesamte Produktionskette sämtlicher Produkte und Dienstleistungen.
Ein Produkt wie zum Beispiel ein Auto ist das Ergebnis von Tausenden verschiedenen Spezialisierungen, von den verschiedenen Mechanikern, die die Motorenkomponenten erfinden, über die Designer und Reifenspezialisten bis zu den Chemikern, die die Metalllegierungen herstellen, und so weiter. Mercedes-Benz beschäftigt nur wenige dieser Experten, da der Autobauer fast alle zur Herstellung seiner Fahrzeuge benötigten Produkte von anderen Unternehmen erwirbt, die ihrerseits auf die Produktion anderer Betriebe angewiesen sind.
Wir spezialisieren uns also auf Tausende von verschiedenen Berufen, vom Bäcker über den Sportler, Musiker oder Künstler bis hin zum Ingenieur oder Anwalt, um nur einige wenige zu nennen. Innerhalb dieser Sparten gibt es natürlich auch weitere Spezialisierungen. Ein Sportler kann Fussballer oder Tennisspieler sein, aber selten beides.
Ständige Verbesserung unserer Lebensumstände dank Unternehmern
In dieser enormen Galaxie von Spezialisierungen hebt sich eine einzige besonders heraus, nämlich die des Unternehmers. Im Prinzip ist ein Unternehmer nur ein weiterer Fachmann, der sich darauf spezialisiert hat, Gelegenheiten aufzuspüren, um dann mittels einer von ihm ausgedachten und realisierten Innovation eine bessere Verteilung der Ressourcen oder deren Vermehrung zu erreichen. Unternehmer sind Menschen in ständiger Bereitschaft, immer auf der Suche nach Möglichkeiten zur Schaffung von sozialen und persönlichen Werten, die viele eben nicht als solche erkennen. Zudem sind sie bereit, das gesamte Risiko und die Kosten zu tragen und die sich ihnen bietenden Möglichkeiten beim Schopf zu packen, weil sie eine gute Nase für den potenziellen Nutzen haben.
Unternehmer oder Geschäftsmann zu sein, bedeutet also, sich auf die Entdeckung von Möglichkeiten spezialisiert zu haben und über die Verfolgung eigener Interessen einen gesellschaftlichen Wert schaffen zu können.
Gleichzeitig bedeutet Unternehmertum, im Dienste der Verbraucher zu stehen, denn die wertvollen Möglichkeiten ergeben sich schliesslich erst aus deren Präferenzen. Und wenn das Unternehmen nicht mehr das produziert, was seine Kunden verlangen, kann es auch keine Werte mehr schaffen und geht schliesslich in Konkurs.
Gewinn und Verlust als essentielle Information
Woran erkennt nun ein Unternehmen, ob es einen Wert für andere schafft oder nicht? Selbstverständlich an den roten oder schwarzen Zahlen. Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinn, dann deshalb, weil es die Nachfrage der Verbraucher zu den Preisen befriedigt, die sie zu zahlen bereit sind. Schreibt es dagegen Verluste, dann erfüllt es die Erwartungen der Verbraucher nicht. Dann ist es vorbei mit ihrer wirtschaftlichen Unterstützung beziehungsweise der implizite Vertrag, den sie mit dem Unternehmen geschlossen haben, wird aufgelöst und mit einer anderen Firma neu geschlossen, die ihre Nachfrage befriedigt. Geht ein Unternehmen in Konkurs, werden wertvolle Ressourcen frei, sodass eine Firma, die besser geeignet ist, seinen Platz einnehmen kann.
Die Gewinne und Verluste eines Unternehmens wirken sich auch auf die Gesellschaft aus. Je mehr Firmen hohe Gewinne erwirtschaften, desto besser ist das für die Gesellschaft, denn das bedeutet, es wird mehr Wert für sie geschöpft. Ohne unternehmerische Gewinne ist Wohlstand nicht möglich, es kommt letzten Endes zum Konkurs der betroffenen Betriebe, woraufhin die Mitarbeiter auf die Strasse gesetzt werden und keine Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Kurz gesagt, ohne Gewinne gibt es keine Unternehmen, ohne Unternehmen gibt es keine Waren und Dienstleistungen, und ohne sie kehren wir zur Subsistenzwirtschaft zurück, das heisst zu dem Elend, das die Menschheit Tausende von Jahren erlitt.
Mir liegt folgender Punkt am Herzen: Anders als die Marxisten in ihrer Ausbeutungstheorie zum Ausdruck brachten, sind Gewinne das Signal für Unternehmer, dass sie einen Wert für die Gesellschaft schaffen. So gesehen besitzen Gewinne eine soziale Funktion, indem sie diejenigen über Wasser halten, die anderen Nutzen bieten und auch deren Wohlstand sichern. Die Verbraucher sind sozusagen die Geschäftsführer, auf die der Unternehmer hören muss.
Der Unternehmer wiederum ist einer der wenigen, der angesichts des Wettbewerbs und der mannigfachen Aufgabenteilung zu erkennen vermag, wo noch Raum für Wertschöpfung ist, und der dann sein Kapital, seine Zeit, seine Energie und seine Kreativität investiert, um eben diesen Wert zu schaffen. Im Prinzip ist Unternehmertum nichts anderes als eine weitere Spezialisierung, nämlich auf das Aufspüren von Nischen zur Schaffung von Werten für andere. Diese Detektivarbeit findet im Wesentlichen im Kopf des Unternehmers statt, denn auch die Wertschöpfung ist zunächst seines Geistes Kind. Erst später wird dieses Vorhaben mithilfe von innovativer Energie in die Praxis umgesetzt.
Gelegenheiten erkennen und ergreifen
Ein einfaches Beispiel wird genügen, um diesen Vorgang zu verdeutlichen. Nehmen wir an, dass in der Hauptstadt eines Landes der Preis für Käse extrem hoch ist, während er in weiter entfernten Regionen sehr viel günstiger ist, da dort am meisten davon produziert wird. Nehmen wir weiter an, dass ein Bewohner eines abgelegenen Ortes aus unterschiedlichen Gründen immer wieder einmal in die Stadt fahren muss. Beim Einkaufen wird er feststellen, dass die Käsesorte, die er gerne mag, in der Hauptstadt viel teurer oder überhaupt nicht erhältlich ist. Schlägt das Herz eines Unternehmers in seiner Brust, wird er sich dann fragen, ob es möglich wäre, seinen Lieblingskäseaus seiner Heimatregion mitzubringen und mit den Produkten auf dem Markt vor Ort zu konkurrieren. Dieser ganze Prozess – das Entdecken und Pläneschmieden – findet in seinem Kopf statt. Diese Fähigkeit besitzt nicht jeder, von der erfolgreichen Umsetzung ganz zu schweigen.
Der nächste Schritt besteht darin, die Kosten für Versand, Vertrieb, Lagerung und andere Massnahmen zu berechnen, um abzuschätzen, wie wettbewerbsfähig sein Produkt sein könnte. Sprechen die Zahlen dafür, hat unser Landbewohner eine ineffiziente Zuteilung der Ressourcen entdeckt, die er dank seiner Aufmerksamkeit und Fantasie verbessern kann. Das Interessante daran ist, dass er daran Geld verdienen wird, unter Umständen kann er damit reich werden, doch zugleich schafft er einen Wert für die restliche Gesellschaft, indem er eine mangelhafte Situation verbessert.
An diesem Punkt kommt die soziale Rolle des Gewinns ins Spiel. Kommt das Projekt an, werden die Erzeuger auf dem Land zufrieden sein, weil die Nachfrage steigt und sie mehr Käse verkaufen können, was wiederum dazu führt, dass sie mehr Mitarbeiter einstellen und obendrein bessere Löhne zahlen können. Die Bewohner der Hauptstadt dagegen können billigeren und wahrscheinlich qualitativ besseren Käse geniessen, was ihnen erlaubt, mehr zu konsumieren, weil diejenigen, die es sich vorher nicht leisten konnten, Käse zu kaufen, jetzt zuschlagen können, während die Stammkunden ihn nun zu einem niedrigeren Preis kaufen können. Dadurch erhöht sich wiederum das verfügbare Einkommen, das sie nun für andere Dinge ausgeben können, was wiederum andere Sektoren der Wirtschaft ankurbelt. Unser Unternehmer hat also die gesamte Gesellschaft bereichert, ausser vielleicht seine Konkurrenten in der Hauptstadt, die Marktanteile verlieren werden, sofern sie ihre Produkte nicht verbessern.
Keiner der vorangegangenen Schritte – das möchte ich herausstellen – geschah wie von Zauberhand. Unser Unternehmer musste nicht nur mehrmals in die Stadt fahren, die sich ihm bietende Gelegenheit erkennen und die Rentabilität seines Vorhabens kalkulieren, sondern sich auch mit vielen Leuten, von denen der Fortschritt dieses Projekts abhing, abstimmen und zusammenarbeiten, darunter Lieferanten, Spediteure, Händler, Bankiers, Rechtsanwälte, Lagerbetreiber und viele andere. Gut möglich, dass sich nicht alle an ihre Vereinbarungen hielten oder sogar versuchten, ihn über den Tisch zu ziehen, was bedeutete, dass er sich nach anderen Geschäftspartnern umsehen musste. Letzten Endes musste er nicht nur Zeit und Energie investieren, sondern auch sein Kapital riskieren, einen Kredit aufnehmen oder Teilhaber für sein Projekt finden, Mitarbeiter einstellen, Versicherungen abschliessen, sich mit der allgegenwärtigen Bürokratie auseinandersetzen, dafür sorgen, dass die Ladung in gutem Zustand ankommt, seine Familie davon überzeugen, ihn bei dem Projekt zu unterstützen, indem sie ihren Konsum für eine Weile einschränkt, mit unerwarteten Ereignissen wie Unfällen rechnen, die dazu führen könnten, dass er die Ware nicht wie versprochen ausliefern kann und damit künftige Bestellungen gefährdet und vieles mehr. Alles in allem handelt es sich um ein episches Unterfangen, das Leidenschaft, Gerissenheit, Durchhaltevermögen, Risikobereitschaft, Organisationsfähigkeit und Kreativität erfordert und bei dem es trotz alledem keine Erfolgsgarantie gibt.
Verborgene Anstrengungen des Unternehmers
Den ganz normalen Käsekäufer kümmert das alles nicht, da es vermutlich nichts mit seiner persönlichen Erfahrung zu tun hat. Für ihn ist es selbstverständlich, dass es jeden Tag Käse zu kaufen gibt. Der Anwalt, der Beamte oder der städtische Angestellte, der in der Grossstadt arbeitet und ein Sandwich mit einem besseren und günstigeren Käse isst, kann sich nicht vorstellen, welche Mühe, welche Risiken, wie viel Zeit, welche Frustrationen und welcher Kampf hinter einem so einfachen Unternehmen wie einem Käseladen stecken. Der Nachbar unseres Unternehmers, der nur wahrnimmt, dass Letzterer sich nun ein besseres Auto und ein grösseres Haus leisten kann, worum er ihn beneidet, kann sich ebenfalls nicht vorstellen, welche Anstrengungen damit verbunden sind. Die meisten Menschen begreifen einfach nicht, welche Opfer der Beruf des Unternehmers mit sich bringt, weil sie in Bereichen arbeiten, die, was das damit verbundene Risiko und den Aufwand angeht, wesentlich weniger anstrengend sind.
Das mag durchaus der Grund sein, warum sich nur sehr wenige Menschen trauen, Unternehmer zu werden, selbst wenn sie gute Ideen zur Schaffung von Wohlstand haben. Gerade weil die Kosten und das Risiko des Unternehmertums so hoch sind, scheitern die allermeisten. Über diese Misserfolge werden übrigens keine Bücher geschrieben, es wird nicht einmal darüber geredet. Im Allgemeinen sind nur erfolgreiche Personen und Unternehmen von Interesse, die aber oft angegriffen und als Ausbeuter beschuldigt werden.
Fakt ist, dass wir ohne diese mutigen Leute alle im Elend versinken würden. Diese wertschöpfenden Fachleute finden nicht nur heraus, wie all die Waren und Dienstleistungen hergestellt werden können, die wir tagtäglich nutzen, sondern sie schaffen auch Arbeitsplätze für andere und zahlen Steuern, die die staatlichen Verwaltungen unter anderem für Soziales ausgeben.
Erbschaftssteuern als Wohlstandszerstörungsmaschinerie
Damit eine Gesellschaft ihren hohen Lebensstandard beibehalten und ständig weiter ausbauen kann, ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass diese Unternehmer ihr Wissen über Wirtschaft und Management an ihre Kinder weitergeben können. Durch die Möglichkeit, einen Betrieb von Generation zu Generation weiterzugeben, kann die Kunst der Wertschöpfung in der jeweiligen Sparte optimiert werden oder das Unternehmen kann sich neuen Herausforderungen stellen, wenn seine Methoden oder Technologien veraltet sind. Bei vielen Marken, von Alkoholika und Lebensmitteln bis hin zu Mode und Technologie, ist eine lange Lebensdauer ein sicheres Zeichen für Qualität und Ausdruck von Know-how und einem institutionellen Gedächtnis, was von den Unternehmereltern an ihre Kinder weitergegeben wurde und was die Wertschöpfung und die Qualität der Produktion auf das höchste Niveau hebt.
Verliert eine Unternehmerfamilie in einer Marktwirtschaft ihre Fähigkeit, effizient, innovativ und anpassungsfähig zu sein, muss sie ihren Betrieb verkaufen oder Konkurs anmelden. So etwas wie gesicherten Wohlstand gibt es nicht, da ein Unternehmer immer in der Lage sein wird, seine Mitbewerber mit besseren Produkten zu niedrigeren Preisen aus dem Markt zu drängen. Wer Erben von Familienbetrieben als «privilegiert» bezeichnet und behauptet, ihre Besitztümer seien ihnen ungerechterweise in den Schoss gefallen, zeigt damit seine Missgunst und hetzt andere womöglich auf.
Hohe Erbschaftssteuern zerstören die produktive Basis der Gesellschaft, weil die Erben von Unternehmen gezwungen sind, ihre Werke zu verkaufen, damit sie die Steuern zahlen können, was den Produktionsprozess zunichtemacht. Wenn unser Käsehändler ein führendes Unternehmen mit landesweiten Verkaufsstellen und Tausenden von Beschäftigten in der Hoffnung gründet, dass seine Kinder es von ihm erben werden, und der Staat nach seinem Ableben eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent erhebt, weil er es für ungerecht hält, dass dessen Nachkommen auf einen Schlag unglaublich wohlhabend sind, dann wird das, was er mühsam aufgebaut hat, vernichtet – mit unglaublichen Folgen für die ganze Gesellschaft. Sie verarmt dann nämlich.
Tatsache ist, dass alle Bürger, insbesondere die weniger Betuchten, davon profitieren, wenn betriebliches Vermögen problemlos von Generation zu Generation weitergegeben werden kann, solange es solide Mechanismen gibt, die den Wettbewerb sicherstellen, da dies die Schaffung von Wert für die Gesellschaft im Verlauf der Zeit garantiert.
Das Gleiche gilt, wenn ein schlecht geführter Betrieb an ein anderes Unternehmen verkauft wird, das sogleich die Führung optimiert und dadurch wieder schwarze Zahlen schreiben kann. In diesem Fall übernehmen andere die Aufgabe, weiterhin unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen Werte für die Gesellschaft zu schaffen. Hat der Käsehändler keine ausreichenden Lagerbestände mehr oder lässt die Qualität seines Käses nach, wittert wohl jemand anderes die Chance und betritt den Markt, sodass die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Käse zu angemessenen Preisen gewährleistet ist.
Warum offene Märkte so wichtig sind
Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass der Markt für den Wettbewerb offen ist und nicht überreguliert wird, denn dies hindert neue Marktteilnehmer mit besseren Ideen daran, den Wettbewerb anzutreten, wofür die Gesellschaft als Ganzes die Rechnung zahlt. Mal angenommen, der Staat gewährte dem Käsehändler im extremsten Fall das Alleinverkaufsrecht und verböte jeglichen Wettbewerb, dann hätte dieser es gar nicht nötig, seinen Betrieb kontinuierlich zu verbessern. Er könnte immer mit den gleichen Methoden weiterarbeiten und sogar seine Qualitätsstandards senken und würde sich dennoch eine goldene Nase verdienen, weil die Verbraucher keine Alternative hätten.
Ist der Markt hingegen offen – das heisst, es gibt kein staatliches Monopol oder übermässige Arbeits-, Steuer-, Hygiene- und andere Vorschriften, die den Wettbewerb mit zu hohen Kosten belasten –, könnte jemand mit besseren Ideen in den Markt eintreten, weil er zum Beispiel auf neue Technologien oder den Import von besserem Käse aus dem Ausland setzt. Davon würde auch die Gesellschaft profitieren, da dieser Wettbewerb seinen Konkurrenten zwingen würde, seine Prozesse zu verbessern.
Die beiden, aber auch neue Mitstreiter, würden also darauf hinarbeiten, die Preise zu senken und zugleich qualitativ hochwertigere Produkte anzubieten, was sich in höheren Unternehmensgewinnen und damit in einem grösseren gesellschaftlichen Nutzen niederschlagen würde, da die Verbraucher nun Käse von höherer Qualität und in grösserer Vielfalt zu niedrigeren Preisen erwerben könnten.
Diese Logik ist in allen Sektoren zu beobachten, wobei die Technologie die Branche ist, in der sie am deutlichsten zum Tragen kommt. Der Wettbewerb unter den Mobiltelefonherstellern hat dazu geführt, dass die Preise für Mobiltelefone drastisch gesunken sind, sodass sich nahezu jeder Bürger auf der Welt ein solches Gerät leisten kann.
Und wie kam es dazu? Weil Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, Wertschöpfungspotenziale als solche zu erkennen, dank des Wettbewerbs, den sie als Katalysator ihrer Arbeit ansehen, Möglichkeiten sahen, Handys zu verbessern und sie billiger zu machen. Infolgedessen kann sich heutzutage fast jeder ein Mobiltelefon leisten, das obendrein noch besser ist als das des reichsten Mannes der Welt vor zehn Jahren. Diese Schaffung von Wohlstand für die Gesellschaft wird in allen Bereichen produziert und erhöht die Lebensqualität aller ihrer Mitglieder.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch The Street Economist – 15 Wirtschafts-Lektionen, die jeder kennen sollte von Axel Kaiser. Erschienen 2023 bei FBV.