Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Blütezeiten unabhängig der Religion, der Ethnie und der Epoche an verschiedenen Orten der Welt auftreten konnten, sei es im heidnischen Griechenland, dem muslimischen Kalifat der Abbasiden, dem konfuzianischen China, dem Italien während der katholischen Renaissance oder in der calvinistischen holländischen Republik. Was haben diese Erfolgsgeschichten gemeinsam? Johan Norberg bringt es in seinem lesenswerten Werk Open auf den Punkt: Sie alle waren geprägt durch eine relative Offenheit gegenüber Handel, neuen Ideen und Migration.
Weshalb ist die relative Offenheit gegenüber Migration so wichtig für eine Hochkultur? Migration erlaubt zum einen eine Abstimmung mit den Füssen. In anderen Worten: Sie macht den Politikern Beine. Migration ermöglicht einen lebhaften Wettbewerb zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften. Diese konkurrieren sich darum, den Bürgern und Unternehmen möglichst vorteilhafte Rahmenbedingungen anzubieten, damit diese in ihren Gebieten ansässig werden und bleiben. Das heisst, es entsteht ein Wettbewerb um die besten Standortbedingungen, was für alle vorteilhaft ist.
Politischer Unterdrückung, einer paternalistischen Verbotskultur, fiskalischer Gier und anderen Varianten der Bürgerdrangsalierung durch den Staat wird somit ein Riegel geschoben. Denn wenn Politiker dies tun, müssen sie damit rechnen, dass die Bürger in bessere Gebietskörperschaften abwandern und ihre Steuern an einem anderen Ort bezahlen. Die Einnahmen derjenigen Staaten, die ihre Bürger schlecht behandeln, sinken. Politischer Wettbewerb ist daher immer auch ein Anreiz für Politiker, das Beste für ihre Bürger zu geben.
Migration ist auch wichtig, weil es aufgrund der Einwanderung aus anderen Kulturen zu einem ständigen Aufmischen festgefahrener Ideen und bestehender Strukturen kommt, die vielleicht ohne dieses Erneuerungselement zu verkrusten drohen. Wenn eine Gesellschaft Migration erlaubt, wird sie in ihren Ideen, Konzepten und Vorgehensweisen von Menschen mit einer frischen Perspektive herausgefordert. Dies fördert ständige Wachsamkeit, Erneuerung und Verbesserung. Innovation entsteht, wie Matt Ridley in seinem Buch How Innovation Works so schön geschildert hat, vor allem aus der neuen Kombination bestehender Dinge, Ideen und Ansätze. Genau das passiert, wenn Migration nicht restriktiv unterbunden wird.
Die Schweizer Erfolgsgeschichte ist keine Ausnahme: Die Migration spielte hier eine wesentliche Rolle. Das massive Anwachsen der Lebensstandards in der Schweiz haben wir zu einem gewichtigen Teil ausländischen Pionieren zu verdanken, die hier Firmen von Weltruf gegründet haben. Gemäss einer aktuellen Studie von Avenir Suisse vom September 2023 leisten Ausländer gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil von 26 Prozent einen überproportionalen Anteil zur Innovationsleistung: 39 Prozent aller Firmengründer, 50 Prozent aller Startup-Gründer, 78 Prozent aller «Unicorn»-Gründer und 37 Prozent aller Erfinder (basierend auf Patentanmeldungen) sind Ausländer.
Das heutige Einwanderungsregime ist allerdings alles andere als perfekt. Es gilt einige Anpassungen vorzunehmen, damit Migration für alle Beteiligten vorteilhaft wird. Damit könnte auch die Brisanz abgedämpft werden, mit der sie heute auf dem politischen Parkett diskutiert wird.
Wo liegt das Problem?
Migration ist für eine Gesellschaft nur dann von Nutzen, wenn diese beidseitig freiwillig geschieht. Eine erzwungene Integration auf Kosten der Ansässigen ist ebenso schädlich wie eine zwanghafte Ausgrenzung der Migranten. Nur wenn Migration unter Wahrung von Eigentumsrechten geschieht, entfaltet sie nachweislich eine positive Wirkung für alle. Doch genau hier haben wir heute massive Probleme, nämlich die folgenden:
- Erzwungene Integration auf Kosten der Einheimischen: In letzter Zeit häufen sich Meldungen wie «Schweizer raus, Asylbewerber rein». Einheimische werden vom Staat aus ihren Wohnungen vertrieben, um Asylsuchenden eine Bleibe zu verschaffen. Ausserdem leben viele Eingewanderte auf Kosten der Ansässigen, indem sie überproportional vom Sozialstaat profitieren, in welchen die Einheimischen ihr ganzes Leben einzahlen mussten, während die neu Zugewanderten viel weniger dazu beigetragen haben. Es ist klar, dass dies die Gemüter erhitzt, die Fremdenfeindlichkeit unter den benachteiligten Einheimischen befeuert und dem Wunsch nach einer restriktiven Einwanderungspolitik Auftrieb verleiht.
- Erzwungene Ausgrenzung zu Lasten der Einwanderer: Der Staat macht Einwanderungswilligen aus bestimmten Ländern (Drittstaaten) die Einreise und den Aufenthalt in der Schweiz schwer. So muss ein Arbeitgeber, der eine Arbeitskraft aus einem Nicht-EU/EFTA-Land anstellen möchte, nachweisen, dass auf dem inländischen Arbeitsmarkt und auf den Arbeitsmärkten der EU/EFTA-Länder keine anderen geeigneten Personen zur Verfügung stehen. Ein solcher Nachweis ist naturgemäss schwierig. Es ist ein enormer bürokratischer Brocken, den man Arbeitgebern und Arbeitswilligen aus Drittstaaten in den Weg legt. Auch arbeitswillige Asylsuchende werden vom Staat behindert: Wollen sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen sie bei der kantonalen Behörde eine Bewilligung dafür einholen. Halten sie sich in den Zentren des Bundes auf, dürfen Asylsuchende keine Erwerbstätigkeit ausüben. Und selbst, wenn sie einem Kanton zugeteilt werden, bleiben sie der Behördenwillkür ausgeliefert, weil Funktionäre darüber entscheiden, ob der Arbeitsmarkt es erlaube, dass sie einer vorübergehenden Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Auch befinden die Behörden darüber, in welchen Branchen Migranten arbeiten dürfen und in welchen nicht. Eine klassische Form von Wissensanmassung durch eine Zentralbehörde.
- Staatlich regulierter Arbeitsmarkt: Unzählige Tätigkeiten bedürfen einer Erlaubnis durch die Behörden und den Nachweis von langjährigen offiziellen Ausbildungen und Diplomen. Dies alles geschieht unter dem Deckmantel des Konsumentenschutzes. Doch solche de facto Arbeitsverbote schotten den Arbeitsmarkt ab. Obwohl es vermutlich für viele Tätigkeiten eine natürliche Nachfrage auf den Märkten gibt, werden diese Angebote von den Behörden untersagt. Damit wird es auch für Immigranten deutlich schwieriger, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren und die Wahrscheinlichkeit der Sozialstaatabhängigkeit auf Kosten der Einheimischen steigt. Eine klare Lose-lose-Beziehung also, die vom Staat verschuldet wird.
- Künstliche Verteuerung des Wohnraums: Auf einem freien Markt für das Wohnen wird Wohnraum bei steigendem Wohlstand tendenziell zu immer geringeren Preisen bei immer besserer Immobilienqualität verfügbar. Dies, weil sich das Wohnungsangebot an der Nachfrage ausrichten kann und Mieter durch bessere Qualität und Preise als bei der Konkurrenz überzeugt werden können. Anders bei einem staatlich durchregulierten Wohnraum mit «sozialem Wohnungsbau», restriktiven Bauvorschriften, Mietpreisobergrenzen, «Mieterschutzmassnahmen» (ein hinterhältiger Euphemismus!) und weiteren Eingriffen, die der Staat unter Androhung oder Anwendung von Gewalt durchsetzt. Je mehr der Staatsapparat eingreift, desto knapper wird der Wohnraum und desto höher werden die Mieten. Auch verschlechtert sich tendenziell die Qualität der Immobilien im Vergleich zu einer Situation, wo der Staat nicht eingegriffen hätte. Warum? Wenn der Staat z.B. Mietobergrenzen und Mieterschutzmassnahmen erzwingt, wird es weniger profitabel, als Vermieter tätig zu sein. Es wird weniger Geld in Rennovationen gesteckt, weil Wohnraum durch die Massnahmen künstlich verknappt wird und sich die Anbieter aufgrund der übermässigen Nachfrage keine Mühe mehr geben müssen. Zunehmend werden Liegenschaften in abgenütztem und ungepflegtem Zustand sowie zu überteuerten Preisen vermietet. Diese politische Verknappung des Wohnraums macht es für Einwanderer schwieriger, eine preiswerte und gute Bleibe zu finden. Ein überregulierter Wohnmarkt stellt daher ein Wanderungshindernis dar, wodurch Wohlstandspotenziale für die Gesellschaft vernichtet werden.
- Steigende Staatsausgaben für Migration: Die staatliche Migrationsbürokratie verschlingt zunehmend Ressourcen. Die Kosten werden den hiesigen Steuerzahlern aufgebürdet, wodurch weitere Wohlstandseinbussen einhergehen. Betrugen die Bundesausgaben für Migration im Jahr 2007 noch 791 Mio. Franken, stiegen sie bis ins Jahr 2022 um über 229 Prozent auf 2’606 Mio. Franken.
Liberale Vision
Im derzeitigen System wird wohlstandsfördernde Einwanderung einerseits staatlich gedrosselt. Andererseits werden Eigentumsrechte der Einheimischen verletzt, indem sich Zuwanderer rasch am Sozialstaat bedienen können, der von den bisher Ansässigen finanziert wird. Ein liberales System unterscheidet sich insofern vom staatlich gelenkten System, als es sich der Vorteile der Marktmigration und des geschützten Eigentums bewusst ist. Es verhindert jene Migration nicht, die unter Wahrung der Eigentumsrechte vollzogen wird, während es den eigentumsfeindlichen Sozialstaat eindämmt. Priorität hat also nicht die nationaletatistische Wahrung des Sozialstaats bei gleichzeitiger Drosselung der Zuwanderung, sondern die freie Migration bei gleichzeitiger Wahrung der Eigentumsrechte.
In einem liberalen System der Migration würden nicht staatliche Bürokraten darüber befinden, wer wohin umziehen und arbeiten gehen darf. Vielmehr sind es die Eigentümer – also die betroffenen Bürger selbst – die mit einwanderungswilligen Menschen Arbeits-, Miet- oder Kaufverträge zum gegenseitigen Nutzen abschliessen. Nur bei Vorliegen solcher Verträge ist Migration legal möglich. Es gibt kein Recht, sich auf dem Grundstück eines fremden Eigentümers niederzulassen, wenn dieser nicht seine Zustimmung dazu gegeben hat. Es gibt auch kein Recht, in eine Wohnung einzudringen und dort zu leben, wenn kein Miet- oder Kaufvertrag vorliegt. Dieses Einwanderungsregime nennt man «Marktmigration», im Gegensatz zur «sozialistischen Migration», die sich durch gewaltsame staatliche Einmischung in zwischenmenschliche Vertragsbeziehungen, die willkürliche Festlegung bürokratischer Kontingente und einer Selektion der Einwanderer durch eine Funktionärskaste auszeichnet.
Haben wir denn mit der EU-Personenfreizügigkeit nicht schon eine solche Marktmigration?
In eingeschränkter Form ist das tatsächlich der Fall. Die Personenfreizügigkeit mit der EU hat aber ihre Schwächen: Sie erlaubt nur Menschen, die im Besitz eines in der EU ausgestellten Passes sind, an diesem Programm teilzunehmen. Der Rest der Welt wird davon ausgeschlossen.
Des Weiteren ist eine solche Form der Migration kritisch zu beurteilen, solange es daneben auch noch einen aufgeblähten Sozialstaat gibt, der die Einwanderer dazu einlädt, unverdiente Leistungen vom Staat zu beziehen. Es werden hier also Fehlanreize gesetzt, die zu einer Vergrösserung der Ressentiments der Einheimischen gegen Ausländer führen können. Dabei müssten Einheimische ihren Groll nicht gegen die Migranten an sich, sondern gegen die Gesetzgeber richten, die diese Missstände erlauben und nichts gegen die eigentumsfeindliche Umverteilung im Sozialstaat auf Kosten der bisherigen Einzahler unternehmen.
Aber ist es nicht gefährlich, Leute aus aller Welt frei einwandern zu lassen?
Marktmigration darf nicht mit «freier Einwanderung» verwechselt werden. Es besteht kein «Recht auf Einwanderung» und auch kein Recht darauf, vom Staat Sozialhilfe zu beziehen. Es gibt für niemanden ein Recht, sich z.B. einfach im Garten oder im Wohnzimmer bestehender Eigentümer niederzulassen, ohne dass dies vorgängig mit den Eigentümern so abgemacht wurde. Insofern ist die Vorstellung, bei Marktmigration würden wir von Einwanderern aus weniger kompatiblen Kulturen überrannt, realitätsfremd, weil kaum Nachfrage nach unfreundlichen, unfähigen oder sogar kriminellen Einwanderern vorhanden ist, die im eigenen Land zu Konflikten und Unruhen führen.
Natürlich könnte es auch weiterhin Versuche geben, in ein fremdes Territorium illegal einzudringen, doch dies wäre eben ein strafrechtlich relevantes Vergehen. Die Eigentümer hätten dann das Recht, gegen die Eindringlinge vorzugehen.
Und was ist mit Asylsuchenden?
In einem liberalen System wäre auch das Asylwesen privatisiert. Hier kommt die echte Solidarität jener zum Tragen, die den Schutzsuchenden helfen möchten. Im Gegensatz zum sozialistischen Asylwesen von heute zeichnet sich ein liberales Asylwesen durch den Respekt gegenüber Eigentumsrechten aus. Jeder ist dazu berechtigt, Schutzsuchende bei sich aufzunehmen, hat aber auch die Kosten dafür zu tragen. Es würden sich vermutlich spendenbasierte Asylhilfeorganisationen herausbilden, die jene Haushalte unterstützen würden, die Schutzsuchende bei sich aufnehmen oder diesen Arbeitsverträge und Mietverträge anbieten.
Ein liberales Asylsystem glänzt im Gegensatz zum verstaatlichten Asylwesen auch damit, dass es ohne unethische Verstösse umgesetzt werden kann: Es respektiert die Eigentumsrechte der Ansässigen und führt auf sie keine Raubzüge im Namen der Flüchtlingshilfe aus. Es bleibt jedem Einzelnen überlassen, inwiefern und wie stark er Schutzsuchende unterstützen möchte. Damit ersetzt die echte Solidarität die asoziale Zwangsumverteilung und reduziert das Potenzial von Ausländerfeindlichkeit. Die Asylsuchenden auf der anderen Seite profitieren von echter sozialer Wärme, anstatt von Funktionären, die kein «skin in the game» haben und die sie unpersönlich abfertigen.
Weg zum Ziel
Um die Nachteile der eigentumsfeindlichen Einwanderung in den Sozialstaat zu reduzieren und die Vorteile der freiwilligen Markteinwanderung zu geniessen, sind folgende Anpassungen nötig:
- Aufgeblähter Wohlfahrtsstaat reduzieren: Milton Friedman meinte einst, man könne freie Zuwanderung haben oder einen üppigen Wohlfahrtsstaat – aber nicht beides. Es gilt aus liberaler Sicht nicht die Marktzuwanderung zu begrenzen, sondern den Wohlfahrtsstaat, weil die Markteinwanderung für alle vorteilhaft und die Zwangsumverteilung durch den Sozialstaat mit diversen Fehlanreizen einhergeht, die grossen Schaden anrichten. Vorsorge und Fürsorge gilt es idealerweise privat zu organisieren. Staatliche Zwangsumverteilung sollte auf ein absolutes Minimum begrenzt werden: Das sozialistische AHV-Umlageverfahren gilt es beispielsweise durch ein privates Kapitaldeckungsverfahren zu ersetzen, staatliche Sozialhilfe zugunsten echter Solidarität zurückzudrängen und das hauptsächlich durch Drittzahler finanzierte Gesundheitssystem durch private Gesundheitssparkonten abzulösen.
- Respekt vor dem Eigentum sicherstellen: Artikel 26 der Schweizerischen Bundesverfassung besagt: «Das Eigentum ist gewährleistet». In der Realität wird dieser wichtige Grundsatz allerdings durch zahlreiche Staatseingriffe relativiert. Es geht nicht an, dass Bürger in diesem Land unter Androhung und Anwendung von Gewalt durch Steuern und Abgaben enteignet werden, um diese Gelder dann direkt an andere Einheimische oder Zugewanderte umzuverteilen. Solch unethischen Raub gilt es zu untersagen und das Eigentumsrecht als unantastbares Menschenrecht zu verankern, das nicht durch andere Bestimmungen aufgeweicht werden darf. Verfassungsbestimmungen und Gesetze, die dem Eigentumsschutz widersprechen, gilt es aufzuheben, auch aus Gründen der Rechtssicherheit.
- Asylwesen privatisieren, Marktmigration zulassen: Artikel 121 der Schweizerischen Bundesverfassung besagt: «Die Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern sowie über die Gewährung von Asyl ist Sache des Bundes.» Diese Bestimmung gilt es so anzupassen, sodass die Zuständigkeit des Bundes annulliert und in die Verantwortung der Bürger zurückgegeben wird. Was Eigentümer mit ihrem Eigentum machen wollen – an wen sie also z.B. ihre Wohnung vermieten oder kostenlos zur Verfügung stellen wollen, wen sie mit ihrem Geld solidarisch unterstützen oder mit wem sie einen Arbeitsvertrag abschliessen –, soll in der Kompetenz der Eigentümer liegen.
- Wohnungsmarkt deregulieren: Artikel 41 der Schweizerischen Bundesverfassung verleiht Bund und Kantonen die Kompetenz, sich für Wohnungssuchende einzusetzen, um eine «angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen» zu finden. Der Wohnmarkt darf sich jedoch – um seine Vorteile ausspielen zu können – nicht unter den Fittichen der Staatsgewalt befinden. Diese Eingriffe treiben die Mietpreise nach oben, befeuern die Wohnungsknappheit und verschlechtern die Immobilienqualität. Dies wird im Standortwettbewerb zum Nachteil, worauf mit weniger gewinnbringender Marktmigration zu rechnen ist. Eine Deregulierung des Wohnungsmarktes würde wichtige Migrationshürden beseitigen. Art. 41 BV und die daraus abgeleiteten Gesetze gilt es dementsprechend anzupassen.
- Arbeitsmarkt deregulieren: Weitere Migrationshürden könnten durch eine Entpolitisierung des Arbeitsmarktes abgebaut werden. Insbesondere sollte es niemandem verboten sein, seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anzubieten oder unternehmerisch tätig zu werden, sofern dies nicht mit Eigentumsrechten von Ansässigen in Konflikt gerät – wenn es also im gegenseitigen Interesse liegt. Das bürokratische Bewilligungsverfahren bei der Beschäftigung von Ausländern gilt es durch unbürokratische Vertragsbeziehungen zwischen Privaten zu ersetzen.
Die bisher genannten Vorschläge stellen allesamt sehr weitgehende Reformschritte dar, was eine kurzfristige Umsetzung wenig wahrscheinlich erscheinen lässt. Daher folgen an dieser Stelle noch ein paar weniger weit gehende Reformvorschläge, die in die richtige Richtung gehen:
- Start-Up-Visas: Die Bundesverfassung verlangt in der jetzigen Form, die Einwanderung durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente zu begrenzen. Nimmt man diese Vorgabe und den aufgeblähten Sozialstaat als gegeben hin, so bietet sich an, immerhin Startups die Türen zu öffnen. Aktuell werden die Hürden im Kontingentsystem für Startups viel zu hoch angesetzt. So müssen die Gründer etwa nachweisen, dass ihre Idee dem gesamtgesellschaftlichen Interesse entspricht – ein bürokratisches Missverständnis sondergleichen. Es wird so getan, als könnte man dies nachweisen, bevor man den Kunden ein Angebot hat machen dürfen. Ob etwas dem Interesse der Gesellschaft entspricht, sollen die Konsumenten frei entscheiden dürfen und nicht ein paar Funktionäre, die das gar nicht wissen können. Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt daher vor, für Gründer aus Drittstaaten «Startup-Visa» einzuführen und dafür Sonderkontingente zu schaffen. Als Kriterium könnte z.B. das Vorhandensein von Risikokapitalzusagen dienen, womit eine marktbasierte Grösse das Kriterium wäre.
- Einführung eines Punktesystems: Unter der heutigen Bedingung der staatlich festgelegten Höchstzahlen und Kontingente bei der Einwanderung wäre die Einführung eines Punktesystems zu prüfen. Dies mit der Absicht, die Qualität der Einwanderung zu erhöhen und die Einwanderung in den Sozialstaat zu begrenzen. Man könnte (um lange Wartezeiten zu verhindern) z.B. die Zuwanderungsbewilligung monatlich oder quartalsweise entsprechend der vorhandenen Kontingente erteilen. Und zwar nur an diejenigen Einwanderungsinteressierten mit der höchsten Punktezahl. Natürlich wäre die Ausarbeitung eines solchen Punktesystems mit einer gewissen Willkür verbunden und aus liberaler Sicht nicht ideal. Doch immerhin könnte es so z.B. mehr Punkte geben für einen einwandfreien Leumund, eine höhere Ausbildung, für geplante Investitionen im Land oder für ein gewisses Vermögen, das man mitbringt. Dies würde es unwahrscheinlicher machen, dass diese Person dem Sozialstaat zur Last fallen und kriminell sein wird.
- Eingeschränkter Sozialstaatzugriff für Einwanderer: Der Zuwanderung in den Sozialstaat könnte man so entgegen wirken, dass die potenziellen Sozialstaatsleistungen für Zuwanderer anfänglich sehr gering ausfallen. Die potenziellen Leistungen des Sozialstaates könnten dann mit der Anzahl Beitragsjahre ansteigen. Je mehr ein Einwanderer zum Sozialstaats-Etat beiträgt, desto höher wären die Leistungen, die er im Notfall beziehen darf. Damit würde ein gewichtiger Fehlanreiz des heutigen Systems wegfallen.
- Aufenthaltsgebühr für Ausländer mit Niederlassungsbewilligung: Nach dem Kurtaxen-Modell könnte eine Aufenthaltsgebühr für Zugewanderte mit Niederlassungsbewilligung erhoben werden. Diese Aufenthaltsbewilligung wäre der Preis für die Nutzung der Infrastruktur, die auf Kosten der bisher Ansässigen errichtet worden ist. Sie würde den Tourismus nicht betreffen, sondern nur Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung für die Dauer ihres Aufenthalts. Mit den damit erzielten Einnahmen müssten zwingend die Steuern für die Einheimischen gesenkt werden. So wäre Zuwanderung für beide Seiten eine Win-Win-Situation.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch Freiheitsdiät: Rezepte für eine fitte Schweiz (Juni 2024) von Olivier Kessler.