«Be worried, be very worried», so betitelte das amerikanische «Time Magazine» im April 2006 eine Reportage zum weltweiten Klimawandel. Vom «tipping point» einer drohenden Weltzerstörung war darin die Rede, von enormen Gesundheitsrisiken für die Menschheit sowie der Notwendigkeit eines «Kreuzzugs» gegen die globale Erwärmung.
Die Emotionalisierung der öffentlichen Klimadiskussion
steht in einem Spannungsverhältnis zur Komplexität und Dynamik der Materie. Politische Entschei dungsträger sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, eine sachliche und zuverlässige Basis für angemessene
Reaktionen auf prognostizierte Veränderun gen des
Klimas zu finden. Wie Carl Christian von Weizsäcker
bei seinem jüngsten Auftritt in Zürich eindrücklich
schilderte, gelingt der Volkswirtschafts lehre dennoch
nur in Ausnahmefällen eine Beeinflussung der politischen
Agenda rund um den Klima wandel. Rationale
ökonomische Kalkulationen und Analysen spielten
bisher nur selten eine massgeb liche Rolle.
Dabei ist besonders die Ökonomie gefragt, die Kosten
eines möglichen Klimawandels ebenso zu beziffern
wie die Kosten politischer Reaktionen. Einen Versuch
hierzu unternahm 2006 der durch die britische Regierung in Auftrag gegebene Stern-Report. Der Autor
kam darin auf Basis naturwissenschaftlicher und ökonomischer Prognosen zur Erkenntnis, dass die Folgekosten des Klimawandels um einen Faktor 10 über
jenen seiner Vermeidung liegen würden. Die Kosten
einer Vermeidungspolitik bezifferte der Stern-Report
auf 1% des Weltsozialprodukts, womit der Preis einer
in die Atmosphäre entlassenen Tonne CO2 bei 35 EUR
liegen sollte.
Weizsäcker wies darauf hin, dass eine Schätzung
dieser Vermeidungskosten enormen Unsicherheiten
unterliegt, da zahlreiche relevante Vermeidungstechnologien heute noch nicht ausgereift sind. Die Kosten einer CO2-freien Energiegewinnung — wie beispielsweise
erneuerbare Energieträger oder die «Clean
Coal»-Technologie — seien ebenso unklar wie jene
einer Energiesparpolitik oder einer Politik der CO2-Kompensation, etwa durch gezielte Aufforstung. Letztere könnte durch Entwicklungen in der Gentechnologie bedeutende neue Impulse erhalten.
Der Referent führte weiter aus, dass die heutige Vermeidungspolitik, selbst unter den Annahmen des
Stern-Reports, nicht dem Kriterium ökonomischer
Rationalität genügt. Tatsächlich liegen die Kosten der
in Europa und insbesondere in Deutschland praktizierten
Politik deutlich über den genannten 35 EUR
pro Tonne CO2. Pro vermiedene Tonne CO2 belaufen
sich beispielsweise die Kosten der besonders intensiv
geförderten Solarenergie aktuell auf 350 bis 700 EUR,
und für die Windenergie ist mit 120 EUR zu rechnen.
Damit liegen die Vermeidungskosten deutlich über
den geschätzten Folgekosten eines Klimawandels.
Die Förderung der Biotreibstoffe ist nach Weizsäcker
überhaupt nicht in der Lage, zur Vermeidung des
Klimawandels beizutragen, da sie einen Nettomehrausstoss an Klimagasen zur Folge habe.
Weizsäcker plädierte deshalb dafür, die aktuelle Politik
der Mengenbegrenzung der CO2-Emissionen durch
einen Ansatz zu ersetzen, der durch Marktinterventionen den Preis der Abgabe einer Tonne CO2 im Bereich
von 35 EUR stabilisiert. Nach dem Beispiel der Offenmarkttransaktionen einer Zentralbank könnte etwa
ein eigens dafür eingerichteter Fonds CO2-Zertifikate
kaufen und verkaufen und so deren Preise beeinflussen.
Nur so kann sichergestellt werden, dass die
Klimapolitik keinen grösseren Schaden anrichtet als
der Klimawandel selbst. Eine solche Politik würde
dem Markt gezielte Anreize für die Entwicklung innovativer Ansätze des Klimaschutzes bieten und auch
die notwendige Investitionssicherheit für die Entwicklung
von effizienten Vermeidungstechnologien
garantieren. Die derzeitige Mengenpolitik führt hingegen
zu erheblichen Schwankungen der Vermeidungskostenhäufig zu einer Erhöhung über die nach dem Stern-Report sinnvolle Grenze von 35 EUR pro Tonne CO2 hinaus.
Ob jedoch die kühle Rationalität einer solchen ökonomischen Analyse tatsächlich Aussicht auf Berücksichtigung in der Klimapolitik hat, wagte auch Weizsäcker nicht zu prognostizieren. Allzu häufig ent wickelt die Politik eine irrationale Eigendynamik — insbesondere, wenn das Problemfeld von so hoher Emotionalität geprägt ist wie der Klimawandel. Um das «Time Magazine» zu zitieren: «Be worried, be very worried.»